Books on my Shelf – mein Bücherregal
Es gibt wohl keine Schriftstellerin, die nicht in erster Linie Leserin ist und darin mache ich keine Ausnahme. Bücher waren und sind schon immer mein wichtigster Besitz. Es gab Zeiten in meinem Leben, da habe ich, vor die Wahl gestellt, mir eher ein Buch als Essen gekauft. Ich habe in meiner Jugend den Wert von Geld in Büchern ausgedrückt: »Davon kann ich mir zwei Bücher kaufen.«
Auch heute ist mein hart erarbeitetes Reich ein nicht mal kleines Schreib- und Lesezimmer mit einer enormen Menge an Regalmetern. Und doch stehen die Bücher fast überall zweireihig. Ich besitze so viele Bücher, dass Doppelkäufe vorkamen. Von diesen Doppelkäufen peinlich berührt, habe ich eine Zeit lang versucht, dem Chaos mit einer Excelliste Herr zu werden – vergeblich. Es kamen zu viele neue Bücher hinzu, die sich dann auf meinem Schreibtisch stapelten. Jetzt ist es wieder ein sich selbst organisierendes System, in dem man Manches eben doppelt findet. Well, what can you do?
Es gibt eine bekannte Redensart, die ich immer abgewandelt vortrage: »Zeig mir deine Bücher und ich sage dir, wer du bist.« Im Lauf der Zeit sind schon viele Freunde gekommen und gegangen, aber die Bücher sind geblieben. Es gibt Schriftsteller, die haben nicht nur mein Leben begleitet, sondern maßgeblich geprägt: Anne Rice, Antoine de Saint-Exupéry, Astrid Lindgren, Donna Boyd, François Bourgeon, Frank Schätzing, Franz Kafka, Haruki Murakami, Ingrid Noll, Jacob und Wilhelm Grimm, Jean M. Auel, Juli Zeh, Justin Cronin, Maggie Stiefvater, Marion Zimmer Bradley, Marlene Haushofer, Michael Ende, Peter S. Beagle, Stephen King, Thomas Mann, Thomas Willmann, Wolfgang Herrndorf – manche von ihnen mit nur einem einzigen Buch.
Die hier genannten Schriftstellerinnen sind alphabethisch nach Vornamen sortiert, deshalb steht Anne Rice an erster Stelle. Aber ohne Anne Rice wäre mein Leben anders verlaufen. Ihr Roman »The Witching Hour« ist mein absolutes Lieblingsbuch. »Fürst der Finsternis« ist der Grund, warum ich schreibe – weil darin eine Lücke blieb. Der Tag, an dem ich dieses Goldmann-Taschenbuch berührte, in einer Bücherei, die es schon seit Jahrzehnten nicht mehr gibt, dieser Tag hat mein Leben verändert. Damals war ich neunzehn Jahre alt. Ein »Fang Fan« war ich allerdings schon lange davor und werde es immer bleiben.
Aber es gibt noch ein Buch, das nicht fehlen darf und das Anrecht auf diese exponierte Nennung hat. Ein Roman, den ich für das ultimative Meisterwerk deutscher Sprache halte: »Das Parfum« von Patrick Süskind. Er war und ist in meinem historischen Schreiben immer das Kompassnord.
Was ich lese: Belletristik, die eine starke Sprache und einen ebensolchen Erzähler hat. Die Einsichten in das Menschsein, in die Abgründe liefert. Die Vergangenheit kunstvoll oder exakt aufbereitet. Die Zukunft intelligent und vorausschauend entwirft. Genre spielt dabei keine Rolle – im Gegenteil. »Genre« ist inzwischen zu einem Etikett Mainstream-tauglicher Veröffentlichungen geworden, die einfach konsumiert werden können und nicht mehr leisten, als für einen Moment zu unterhalten. Von den zwei, drei Dutzend Thrillern, die ich gelesen habe – an was kann ich mich erinnern? An nichts. Sie verschwimmen ineinander. Die meisten historischen Romane nicht minder. Im Gegensatz zum Mainstream-Genre gibt es herrliche Werke unter anderem von Robert Merle, Hilary Mantel, Daniel Kehlmann, Italo Calvino und Eva Stachniak.
Die Aufgabe von Literatur ist nicht angenehm lesbar zu sein, um ein wöchentliches „Soll“ zu erfüllen, wie so viele Buchblogger in ihren Rezensionen schreiben. („Ich kam gut durch.“, „War leicht zu lesen.“, „Die Kapitel waren schön kurz.“) Die Aufgabe von Literatur ist in Erinnerung zu bleiben, zum Denken, Diskutieren und Streiten anzuregen, zum Widersprechen oder Zustimmen und sich bestätigt fühlen. Es ist der einzige Weg am Denken eines anderen teilzuhaben. Sie darf unbequem sein, unangenehm im Thema, aber nicht in der Sprache. Dazu muss der Schriftsteller das Handwerk beherrschen – das zu lernen, auch wenn es in Anbetracht der heutigen Veröffentlichungsflut nicht so scheint, ist ein langer und harter Weg.
Gerade weil die Schriftstellerinnen und Werke, die mir etwas bedeuten, mehr über mich und mein eigenes Schreiben aussagen als jedes Selfie, will ich hier neue und alte Leseabenteuer teilen. Und dabei darf man nie vergessen, dass jede Rezension immer auch ein Spiegel ist, in den man blickt und der das eigene Sein zurückwirft.